Justizministerkonferenz setzt wichtige Impulse

Justizministerkonferenz
© JUMIKO
Am 7. November 2019 fand in der Landesvertretung Schleswig-Holsteins in Berlin die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) statt. Die diesjährige JuMiKO-Vorsitzende, Schleswig-Holsteins Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack, zog gemeinsam mit dem Hamburger Justizsenator Till Steffen und der hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann ein positives Fazit der Tagung.

„Wir hatten angeregte Debatten und haben wichtige Beschlüsse gefasst“, sagte Sütterlin-Waack. „Dazu gehörte eine intensive Diskussion um das Thema Hate Speech. Wir waren uns einig, dass die Betreiber sozialer Netzwerke eine erhebliche Verantwortung für die Bekämpfung von Hate Speech haben, wozu unter anderen eine Mitwirkung an einer konsequenten Strafverfolgung gehört. Wir erwarten in diesem Zusammenhang von den Betreibern der sozialen Netzwerke, dass sie Auskunftsbegehren der Strafverfolgungsbehörden nachkommen. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet, selbst wenn diese Unternehmen im Ausland sitzen“, betonte Sütterlin-Waack. Die Bundesjustizministerin wurde hierzu gebeten, zu prüfen, wie praktische Schwierigkeiten behoben werden können.

Hamburgs Justizsenator Till Steffen hatte zum Thema Hate Speech mehr Beratung für die Opfer vorgeschlagen – unter anderem durch neue und bestehende Beratungsstellen. Sie informieren Opfer von Hasskommentaren über ihre Rechte und bieten ihnen praktische Hilfe an.

Hessens Justizministerin ergänzte: „Die Verrohung der Kommunikation im Internet nimmt seit Jahren zu. Unter dem vermeintlichen Schutz der Anonymität werden Geschmacklosigkeiten aller Art gepostet, gelikt, getwittert oder unter Freunden geteilt. Es wird gegen Minderheiten gewettert, Vorurteile verbreitet oder offen für Extremismus geworben. Hass und Hetze im Netz haben dabei längst den Weg in die reale Welt gefunden. Nicht nur in Kassel, Wächtersbach oder Halle mussten wir erleben, wie dieser Hass in reale Taten mündete. Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben sich deshalb intensiv mit dem Thema beschäftigt und einen Maßnahmenkatalog beschlossen, der die Bundesjustizministerin zum Beispiel auffordert, eine gesetzliche Pflicht für die Betreiber von sozialen Netzwerken einzuführen, strafrechtlich relevante Posts wie Morddrohungen und Volksverhetzungen direkt an die Strafverfolgungsbehörden zu melden“.

„Das Internet und insbesondere die sozialen Medien sind inzwischen ein öffentlicher Raum geworden, in dem wir im Begriff sind, unsere Freiheit und unsere demokratischen Werte zu verlieren. Denn wie steht es mit der Meinungsfreiheit, wenn der formulierte Gedanke in einem organisierten Shitstorm erstickt wird? Als Staat und Zivilgesellschaft ist es unsere demokratische Pflicht, den Hetzern und Extremisten diesen Raum nicht zu überlassen. Im Gegenteil: Wir müssen uns die verlorene Freiheit zurückerobern! Das ist unser gemeinsamer Auftrag. Hass und Hetze sind ein gesellschaftliches Problem und das bedeutet, dass auch eine Lösung gemeinsam mit der Gesellschaft gefunden werden muss. In diesem Sinne haben die Justizministerinnen und Justizminister heute einen weitreichenden Maßnahmenkatalog beschlossen“, betonte Kühne-Hörmann.

Hessen hatte auch den Mauerfall vor 30 Jahren auf die Tagesordnung gesetzt. „Der Fall der Mauer ist den mutigen Bürgerinnen und Bürgern der ehemaligen DDR zu verdanken, die sich gegen ein Regime von Unfreiheit, Bevormundung und Reiseverboten zur Wehr gesetzt und dabei staatliche Repressalien in Kauf genommen haben. Der Sehnsucht nach Freiheit und demokratischer Mitbestimmung hatte der Unrechtsstaat der DDR im Herbst 1989 nichts mehr entgegenzusetzen. Nur ein starker Rechtsstaat ist der Garant für unsere Demokratie. Deshalb haben wir im Rahmen der Justizministerkonferenz an diese bewegende Zeit erinnert“, sagte Kühne-Hörmann.

Der Hamburger Justizsenator hatte einen Antrag zu einer höheren Langlebigkeit von Produkten eingebracht und wollte Nachhaltigkeit im Zivilrecht verankern. „Wir wollen erreichen, dass Produkte nachhaltiger werden. Das ist gut für die Verbraucher und schont Klima und Umwelt. Leider ist die Mehrheit der Justizministerkonferenz diesem Vorschlag nicht gefolgt. Hamburg wird aber weiter für dieses Thema kämpfen“, so Steffen.

Ein weiteres aktuelles Thema war die Insolvenzsicherung bei Reiseveranstaltern. „Wir sind der Meinung, dass die Insolvenz der deutschen Thomas Cook Gesellschaften bewiesen hat, dass die Möglichkeit der Kundengeldabsicherer, ihre Haftung auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, nicht mehr zeitgemäß ist“, erklärte die diesjährige JuMiKo-Vorsitzende. „Wir haben deshalb die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz gebeten, zu prüfen, welche Anhebungen der Summe und welche ergänzenden Maßnahmen erforderlich sind, um einen wirksamen und umfassenden Schutz der Reisenden rasch zu gewährleisten. Hierbei sollte auch überlegt werden, ob und wie diese Schritte so ausgestaltet werden können, dass Härten für kleine und mittlere Unternehmen vermieden werden können. Und natürlich sollten die erforderlichen gesetzgeberischen Schritte möglichst rasch eingeleitet werden“, sagte Sütterlin-Waack.

Die Konferenz hat auf Vorschlag Schleswig-Holsteins auch festgestellt, dass das Prozessrecht (§ 53 ZPO) dem Anspruch der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Selbstbestimmungsrecht betreuter Menschen nicht in jedem Fall gerecht wird. Er regelt das Innenverhältnis eines betreuten Menschen und seines Betreuers in Gerichtsverfahren. Bislang wird ein betreuter Mensch pauschal und ohne Ansehung der Person als prozessunfähig behandelt, wenn der rechtliche Betreuer einen Prozess an sich zieht. Hier sah Justizministerin Sütterlin-Waack dringenden Reformbedarf. „Die JuMiKo hat die Bundesjustizministerin gebeten, hier Lösungsmöglichkeiten zu prüfen. Denn ich möchte, dass betreute Menschen ihre Wünsche und Angelegenheiten auch vor Gericht selbst vertreten können“.

Quelle: Pressemitteilung des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung in Schleswig-Holstein vom 07.11.2019.

Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich auch mit der Frage einer (möglicherweise auch nur schrittweisen) Übertragung der Forderungspfändung von den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern auf die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher befasst. Sie sind der Auffassung, dass sich das bisherige System der Aufgabenverteilung zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern und Vollstreckungsgericht bewährt hat.

Der VRB begrüßt den Beschluss, weil eine isolierte Übertragung der Forderungspfändung keine Effektivitätssteigerung in der Zwangsvollstreckung mit sich gebracht hätte. Dazu müssten aus Sicht des VRB die Zuständigkeiten grundsätzlich in den Fokus genommen werden. Der VRB unterstützt den Bund Deutscher Rechtspfleger und den Deutschen Gerichtsvollzieherbund, die sich dafür ausgesprochen haben, dass Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher künftig in einem gemeinschaftlichen Studiengang ausgebildet werden und es ein einheitliches Berufsbild der Rechtspflege gibt. Die dadurch entstehende Vergrößerung der beruflichen Perspektiven, die Wechselmöglichkeit vom Schreibtisch in den Außendienst und umgekehrt, würden zu einer Attraktivitätssteigerung führen und die Suche nach qualifiziertem Nachwuchs erleichtern. Änderungen im Geschäftsanfall, wie der aktuelle Rückgang der klassischen Gerichtsvollzieheraufgaben, könnten einfacher aufgefangen werden. Ein einheitlicher Studiengang würde zudem eine Anpassung der Strukturen im Bereich der Zwangsvollstreckung deutlich vereinfachen.

Sämtliche Beschlüsse der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und -minister finden Sie hier. (www.schleswig-holstein.de)

Hintergrund:
Jeweils im Frühjahr und im Herbst finden unter jährlich wechselndem Vorsitz eines Bundeslandes Konferenzen der Justizministerinnen und Justizminister statt. Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) dient der Koordination und Abstimmung der justiz- und rechtspolitischen Vorhaben der Länder. Die in der Konferenz gefassten Beschlüsse haben zwar keinen Rechtsetzungscharakter, von ihnen können aber maßgebliche Impulse für die rechtspolitische Entwicklung in Deutschland und Europa ausgehen. Im Jahr 2019 hat Schleswig-Holstein den Vorsitz der 90. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister.

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