dbb Jahrestagung 2019

Starker Staat statt schwarze Null

Foto: Friedhelm Windmüller
Die VRB-Vorsitzenden Matthias Stolp und Diana Böttger mit dem dbb Bundesvorsitzenden Ulrich Silberbach
Vom 6. bis 8. Januar 2019 fand in Köln die 60. dbb Jahrestagung statt. Zum traditionellen politischen Auftakt forderte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach angesichts des schwindenden Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in staatliche Institutionen massive Investitionen in den öffentlichen Dienst. Rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Medien folgten im Weiteren den Reden von Innenstaatssekretär Stephan Mayer, Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Für den VRB nahmen die Vorsitzenden Diana Böttger und Matthias Stolp an der Tagung teil.

„Die Menschen verlieren das Vertrauen in den Staat, in seine Institutionen, in Regierende und Parteien. Man glaubt nicht mehr, dass sie in der Lage sind, die Probleme zu lösen“, sagte Silberbach. Dies sei auch eine Folge jahrzehntelanger neoliberaler Attacken auf den Staat und „die Rache der schwarzen Null“. Der dbb-Chef weiter: „Heute wissen wir: Der Qualität von Gesundheit, Sicherheit, Bildung, Infrastruktur und Kultur haben Privatisierung und Wettbewerb überhaupt nicht gutgetan.“ Jeder Mensch in Deutschland müsse sich aber darauf verlassen können, dass der öffentliche Dienst überall im Land gleich gut für ihn da ist. Daher, so der dbb Bundesvorsitzende brauche es „ein Sofortprogramm für einen starken und handlungsfähigen Staat. Er muss wieder wahrhaftig und greifbar an der Seite seiner Bürgerinnen und Bürger stehen.“

Die besondere Herausforderung sei dabei nicht nur, die notwendigen Stellen zu schaffen, sondern sie auch mit qualifizierten Kräften zu besetzen. „Entsprechend der Lage auf dem Arbeitsmarkt rennen uns die jungen Menschen und Fachkräfte nun nicht gerade die Bude ein“, machte Silberbach deutlich. „Zwar hilft Vater Staat, dass er mit einem denkbar breiten Berufsspektrum und einer ‚sinnstiftenden‘ Tätigkeit werben kann. Doch mit Sinnstiftung allein kommen Sie bei Ihrem Vermieter und im Supermarkt nicht weit.“ Deswegen brauche der öffentliche Dienst einen wertschätzenden Umgang mit den Beschäftigten. Dazu gehörten eine anständige Bezahlung, flexible Arbeitszeitmodelle, individuelle Qualifizierungsangebote und verlässliche Karriereperspektiven – sowohl beim Beamtentum als auch im Tarifbereich.

Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Stephan Mayer würdigte stellvertretend für Minister Horst Seehofer, der wegen der Hacker-Affäre nicht nach Köln kommen konnte, die Leistung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und kündigte verbesserte Arbeitsbedingungen im Bundesdienst an.

Konkret nannte Mayer eine Modernisierung der Besoldungsstruktur auf Bundesebene. Dazu werde das BMI in Kürze ein Gesetz vorlegen. Auch Zulagen sollen neu geregelt werden. Außerdem, so der Staatssekretär weiter, solle die Arbeitsbelastung in besonders betroffenen Bereichen wie etwa Migration, Digitalisierung und Sicherheit abgemildert werden. Mit Blick auf die vom dbb geforderte allgemeine Absenkung der Wochenarbeitszeit der Bundesbeamtinnen und -beamten sagte der Staatssekretär: „Im Koalitionsvertrag sind dazu keine Änderungen vorgesehen. Aber für das Bundesinnenministerium gilt: Die derzeit 41 Wochenstunden sind nicht in Stein gemeißelt.“

Eine klare Absage erteilte Mayer allen Bestrebungen, Beamtinnen und Beamte in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung einzubeziehen. Die Einbeziehung würde nicht zu Kosteneinsparungen führen. „Im Gegenteil: Die Personalausgaben des öffentlichen Dienstes würden allein aufgrund der notwendigen Anhebung der Besoldung um die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge massiv steigen. Zudem decken die Leistungen der Beamtenversorgung auch die betriebliche Zusatzsicherung ab. Sollte die Beamtenversorgung in die Rente überführt werden, müssten diese zusätzlichen Leistungen auch weiterhin erbracht werden. Hinzu kommt: Aufgrund jahrzehntelanger Doppelstrukturen wäre die Systemumstellung höchst komplex und teuer.“

Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley skizzierte in ihrem Vortrag „Demokratie in der digitalen Welt“ die Möglichkeiten und Gefahren der Digitalisierung für die Gesellschaft. „Bei der rasanten Veränderung, die die Digitalisierung mit sich bringt, ist gerade die Dynamik besorgniserregend, die Soziale Netzwerke mit sich bringen“, so die Ministerin mit Blick auf die Rolle der neuen Medien für gesellschaftliche Debatten. Die durch Algorithmen künstlich erzeugten „Filter Bubbles“ sorgten dafür, dass es immer schwieriger wird zu entscheiden: Was ist richtig, was ist falsch? Diese Effekte würden durch sogenannte „Deepfakes“ noch weiter verstärkt. „Dabei handelt es sich um gefälschte Bewegtbilder, die kaum noch von echten Aufnahmen zu unterscheiden sind“, erklärte Barley. Menschen, die hauptsächlich mit diesen Falschinformationen konfrontiert würden, seien zunehmend schwerer für andere Informationsquellen zugänglich. „Durch die gegenseitige Vergewisserung in diesen Bubbles entsteht laut zahlreicher Studien später vermehrt Aggressivität“, betonte Barley. „Zunächst verbal – aber später auch physisch.“

Dennoch, so die Bundesjustizministerin, gelte es, auch die positiven Effekte der Digitalisierung zu betonen. „Durch die Möglichkeiten, die im Zuge des technologischen Wandels entstehen, lässt sich etwa die Expertise der Bürger viel leichter und besser einholen.“ Als Beispiel nannte Barley die Bauplanung, bei der durch Bürgerbeteiligungen viel schneller auf Fehleinschätzungen hingewiesen werden könne.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet vertrat in seiner Rede die Auffassung, dass der öffentliche Dienst im Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte nur mithalten könne, wenn er auch gutes Einkommen biete. „Wenn wir die besten Köpfe für den öffentlichen Dienst haben wollen – Experten, die beispielsweise die Daten der Bevölkerung verlässlich schützen und die Digitalisierung wirkungsvoll vorantreiben können – müssen wir bessere Voraussetzungen schaffen“, sagte Laschet. Mit Blick auf die bevorstehende Einkommensrunde für den öffentlichen Dienst der Länder warnte der Ministerpräsident aber zugleich vor überzogenen Erwartungen. Man dürfe nicht darauf hoffen, dass die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren immer weiter steigen. „Sollte es einen harten Brexit geben, müssen wir uns in den kommenden sechs Monaten auf Szenarien einstellen, deren Tragweite wir jetzt noch nicht absehen können.“

Laschet beendete seine Ausführungen mit einem klaren Bekenntnis zum Berufsbeamtentum: „Das Selbstverständnis der Beamtenschaft ist eine der großen Stärken unseres Staates. Gleich, welche politischen Farben die Spitze eines Ministeriums trägt, die Sacharbeit geht stets vor. Deshalb stehe ich leidenschaftlich zur Tradition des deutschen Berufsbeamtentums.“

Peter Biesenbach, Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages, und Prof. Dr. Matthias Pechstein von der Europa-Universität Viadrina stellten sich nach der krankheitsbedingten Absage von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble spontan als Experten für eine Fragerunde des Publikums zur Verfügung.

Zum Abschluss der 60. dbb Jahrestagung diskutierte eine hochkarätig besetzte Runde mit Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance Plattform, Jasmin Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, Prof. Dr. Ute Klammer, Geschäftsführende Direktorin beim Institut Arbeit und Qualifikation und Thomas Eigenthaler, Stellvertretender dbb Bundesvorsitzender vor dem Hintergrund „100 Jahre Frauenwahlrecht“ über den Stand der Gleichstellung in Deutschland und die Situation von Frauen im öffentlichen Dienst.

Die Vorsitzenden des VRB zogen ein positives Tagungsresümee, machten aber auch ihre Erwartungen deutlich. „Die seitens der Politik entgegengebrachte Wertschätzung des öffentlichen Dienstes hat gut getan. Den Worten müssen jetzt auch Taten folgen. Angesichts der Personalsituation und der demografischen Entwicklung sollte die Politik mit den Gewerkschaften an einem Strang ziehen. Für die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sind eine verbesserte Personal- und Sachmittelausstattung sowie substantielle Einkommenszuwächse zwingend. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Justiz“, unterstrich Matthias Stolp.

„Denn die Justiz ist Garant für die Freiheit, die Sicherheit und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in gesellschaftliche Werte. Wenn es dem Staat hier nicht gelingt, qualifiziertes Personal zu gewinnen, aber auch zu halten, droht dieses Vertrauen verloren zu gehen“, ergänzte die Vorsitzende Diana Böttger.

Alle Nachrichten, Bilder und Hintergrundinformationen zur 60. dbb Jahrestagung stehen online unter dbb.de/jahrestagung zur Verfügung.

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