„Der öffentliche Dienst beklagt einen massiven Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund wird besonders um junge, gut ausgebildete Frauen geworben, die die Lücke stopfen sollen. Allerdings steht diesen Bemühungen ein überholtes Beurteilungs- und Beförderungswesen entgegen. Es verpasst den jungen Frauen, wenn sie für die Familie zeitweise zurückstecken, einen linken Haken und verschiebt sie dauerhaft auf‘s berufliche Abstellgleis“, kritisierte Dauderstädt. „Hier muss die Politik dringend handeln.“
Der dbb Chef verwies in diesem Zusammenhang auch auf die aktuelle Situation im Landesdienst Nordrhein-Westfalens. Dort sollen Frauen seit dem 1. Juli 2016 bei einer „im wesentlichen gleichen Eignung“ im Vergleich zu männlichen Konkurrenten bevorzugt befördert werden, was jedoch juristisch umstritten ist. Vor solchen Rechtsunsicherheiten hatte der zuständige dbb Landesbund bereits im Vorfeld gewarnt. „Der politische Wille, Frauen in Spitzenpositionen zu befördern, stößt an die Grenzen eines verkrusteten, über viele Jahre gewachsenen Verfahrens.“ Gleichzeitig werde deutlich, wie wichtig es sei, mit den Beschäftigten in Dialog über eine zukunftsfähige Neugestaltung der Beförderungs- und Beurteilungspraxis zu kommen und zu bleiben. „Denn Leistung ist keine Frage des Geschlechts“, stellte Dauderstädt fest.
Die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer verwies in Ihrer Rede auf die gesetzlichen Regelungen, die geschlechterbedingte Diskriminierung bei der dienstlichen Beurteilung grundsätzlich verbieten. „Würden die gesetzlichen Vorgaben konsequent umgesetzt, so müssten Frauen gleiche Aufstiegs- und Karrierechancen wie Männer haben und Teilzeitkräfte dieselben wie Vollzeitkräfte. Eine geschlechterbedingte Lohnlücke dürfte es im öffentlichen Dienst eigentlich gar nicht geben. Fakt sind hier aber sechs Prozent!“
Insbesondere mit Blick auf das Konzept Arbeiten 4.0 forderte sie eine Abkehr von der männlich geprägten Präsenzkultur. „In der digitalen Arbeitswelt sind mobile, agile Arbeitskräfte gefragt, die teamfähig, kreativ und technikaffin sind sowie in komplexen Zusammenhängen denken und kommunizieren können. Arbeitssoziologen sehen hier eindeutig einen Vorteil für Frauen. Ein solches Arbeiten bildet die derzeitige Beurteilungs- und Beförderungspraxis im öffentlichen Dienst kaum ab.“ Hier sieht die dbb bundesfrauenvertretung die Dienstherren in der Pflicht, die Beurteilungszeiträume lebensphasenorientiert fortzuentwickeln; beispielsweise über die Verankerung eines Anspruchs auf Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs im Wege der fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung während einer Elternzeit. „Auf diese Weise wird verhindert, dass die Leistungen von Frauen mit Ausfallzeiten in Freistellungsphasen im Vergleich zu ihren Kollegen abgewertet werden“, stellte Wildfeuer heraus.
Die Frauenbeauftragte des VRB Katja Maßenberg unterstützt die Forderungen des dbb. „Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir leben und arbeiten. Unsere Erwerbsarbeit wird flexibler und mobiler. Vor allem Frauen können von dem Konzept Arbeit 4.0 profitieren“, so Maßenberg. „Durch die stärkere Vernetzung und Verzahnung von Prozessen werden künftig kommunikative Fähigkeiten und solche, die auf interaktive Koordination abzielen, immer wichtiger für die Auswahl von Arbeitskräften. Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsvermögen und Kreativität, die aus sozialwissenschaftlicher Sicht eher Frauen zugeschrieben werden, erfahren so eine enorme Aufwertung.“
Mehr zur 13. Frauenpolitische Fachtagung der dbb bundesfrauenvertretung „Frauen 4.0: Diskriminierungsfreies Fortkommen im öffentlichen Dienst – Jetzt umdenken!“ am 11. Mai 2017 im dbb forum berlin online unter www.frauen.dbb.de.
Bild Einkommenstabellen: Thorben Wengert / pixelio.de
Bild dbb SPEZIAL zum Coronavirus: Christian Daum / pixelio.de