Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht

dbb: Tarifeinheitsgesetz verstößt gegen das Grundgesetz

Foto: Jan Haas
Gegner im Rechtsstreit um das Tarifeinheitsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und dbb Chef Klaus Dauderstädt.
Am 24. und 25. Januar 2017 verhandelte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Klage gegen das Tarifeinheitsgesetz (TEG). Es soll darüber entscheiden, ob das seit 2015 gültige Gesetz gegen fundamentale Rechte kleiner Gewerkschaften verstößt. Der dbb erläuterte in der mündlichen Anhörung seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Gesetz. „Wir freuen uns, dass der Erste Senat unsere Einwände, die wir im Wege der Verfassungsbeschwerde bereits vorgetragen haben, nun auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ausführlich prüfen will“, sagte dbb Chef Klaus Dauderstädt.

Das Tarifeinheitsgesetz sieht vor, dass bei Überschneidungen mehrerer Tarifverträge für denselben Bereich in einem Betrieb nur der jener Gewerkschaft gilt, die dort die meisten Mitglieder hat. Die unterlegene Gewerkschaft kann sich nur anschließen und den Vertrag nachzeichnen. Über viele Jahre gaben die Gerichte bei solchen Konflikten dem Abschluss den Vorrang, der den Erfordernissen im Betrieb am besten gerecht wurde, bis das Bundesarbeitsgericht 2010 entschied, dass es auch unterschiedliche Regelungen nebeneinander geben kann. Um einheitliche Verhältnisse zu wahren, schrieben Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und die große Koalition den Grundsatz der Tarifeinheit ins Gesetz.

„Das TEG ist verfassungswidrig, praktisch insbesondere im öffentlichen Dienst nicht anwendbar und gesellschaftspolitisch nachteilig“, betonte Dauderstädt. Genau das habe den Verfassern „dieses unmöglichen Gesetzes“ bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eine überwältigende Zahl namhafter Sachverständiger ins Stammbuch geschrieben. „Wider besseres Wissen ist das Gesetz vom Bundestag in Kraft gesetzt worden. Schwerwiegende und in keiner Weise annehmbare Einschränkungen von Grundrechten werden nachhaltigen Schaden in der bundesdeutschen Gewerkschaftslandschaft anrichten. Die drohende Zerrüttung des Betriebsfriedens wird auch für viele Arbeitgeber von nachteiliger Wirkung sein. Darüber hinaus wirft das Gesetz auch beim Versuch einer Umsetzung gleich mehrere unlösbare Probleme auf. Dies macht deutlich, dass das gesamte Projekt nicht geeignet ist, die Tarifautonomie in Deutschland zu stärken“, so der dbb Bundesvorsitzende. Dauderstädt zu den zahlreichen praktischen Problemen bei der Umsetzung des TEG: „Wer ermittelt die Gewerkschaftszugehörigkeit, auf welcher rechtlichen Grundlage überhaupt? Wer definiert die Betriebsmehrheit? Alles ungeklärt. Die Arbeitsgerichte stehen vor unlösbaren Aufgaben, und die Berufsgewerkschaften sind in Gefahr, weil ihre ureigenste Daseinsberechtigung in Frage gestellt wird. Das ist nicht hinzunehmen“, machte der dbb Chef klar.

dbb Vize Willi Russ ergänzte den Kanon der „Fragen, die das TEG vollkommen unbeantwortet lässt: Warum überhaupt braucht es ein solches Gesetz? Hält dieses Land, dessen Wirtschaft und Gemeinwesen bislang sehr gut mit der Tarifautonomie der Sozialpartner gefahren sind, keine Streiks aus, die zahlenmäßig deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegen? Warum mischt sich der Gesetzgeber überflüssigerweise ein, zerstört den Betriebsfrieden und treibt die Gewerkschaften in einen harten Konkurrenzkampf?“, so der Tarifvorstand des dbb. Das vom TEG vorgeschriebene Mehrheitsprinzip sei kein grundgesetzkonformes Kriterium, weil es die Organisationsfreiheit der Arbeitnehmer in unzulässiger Weise einschränke, wenn diese sich berufsspezifisch oder weltanschaulich orientiert organisieren wollten: „Der Koalitionsfreiheit ist aus sich heraus jedes Zählverfahren fremd“, unterstrich Russ.

Die Verkündung eines Urteils wird in einigen Monaten erwartet.

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