In der abschließenden Bundestagsdebatte lieferten sich Koalition und Opposition einen heftigen Schlagabtausch: „Eine notwendige Maßnahme, damit kleine Spartengewerkschaften mit Streiks nicht das Land lahmlegen können“, so begründete die Bundesregierung das Gesetz zur Tarifeinheit. „Ein unverhältnismäßiger Eingriff ins Streikrecht“, so sahen es Linkspartei und Grüne. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles verteidigte das Gesetz als „Mittel zur Stärkung der Tarifautonomie“. Die Opposition warf der Regierung vor, Grundrechte auszuhöhlen. Dem Gesetz zufolge soll in Betrieben für eine bestimmte Beschäftigtengruppe nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten.
„Ein schwarzer Tag für die Grundrechte“, so der dbb-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt. „Wenn die Abgeordnetenmehrheit die Koalitionsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr verteidigt, müssen die Richter des Bundesverfassungsgerichts diese Rolle übernehmen. Die heute beschlossene Regelung verstößt gegen das Grundgesetz, zerstört den Betriebsfrieden und treibt die Gewerkschaften in Deutschland in einen harten Konkurrenzkampf. Über die drohenden praktischen Probleme bei der Umsetzung eines solchen Gesetzes will ich gar nicht reden. Wer ermittelt die Gewerkschaftszugehörigkeiten und auf welcher rechtlichen Grundlage? Wer definiert die Betriebsmehrheit, zu welchem Stichtag? Alles ungeklärt. Die Bundesregierung stellt die deutschen Arbeitsgerichte vor unlösbare Aufgaben und bedroht die Existenz der Berufsgewerkschaften. Das werden wir auf keinen Fall hinnehmen.“
Der Bundesrat wird sich nun am 12. Juni mit dem Gesetz befassen, es ist dort allerdings nicht zustimmungspflichtig. Deshalb könnte die Länderkammer höchstens den Vermittlungsausschuss anrufen, was aber als sehr unwahrscheinlich gilt, da sie in einem ersten Durchgang keine Einwände hatte. Lässt der Bundesrat das Gesetz wie erwartet passieren, muss Bundespräsident Joachim Gauck es prüfen und unterschreiben, damit es im Gesetzblatt verkündet werden kann. Als Ziel wurde aus der Koalition der 1. Juli genannt; festgeschrieben ist das Datum nicht.
Klaus Dauderstädt forderte Bundespräsident Joachim Gauck nochmals auf, vor der Unterzeichnung des Gesetzes sorgfältig die von der übergroßen Mehrheit der Verfassungsrechtler und Gewerkschafter seit Monaten vorgebrachten Bedenken gegen eine gesetzlich erzwungene Tarifeinheit zu prüfen: „Wir sind seit Jahrzehnten gut damit gefahren, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften ihre Angelegenheiten im Rahmen der Tarifautonomie selber regeln. Im Koalitions- und Arbeitskampfrecht hat der Gesetzgeber nichts zu suchen.“
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Bild dbb SPEZIAL zum Coronavirus: Christian Daum / pixelio.de