BDR: Nachwuchsgewinnung & Digitalisierung in der Justiz im Fokus

Der BDR-Bundesvorsitzende Mario Blödtner
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Der BDR-Bundesvorsitzende Mario Blödtner
Am 10. und 11. November 2017 fand in Lübeck die Herbstsitzung des Bundes Deutscher Rechtspfleger (BDR) statt. Für den VRB nahm die Vorsitzende Diana Böttger teil. Auf der Tagesordnung stand ein breites Spektrum an justiz- und verbandspolitischen Themen. Den Auftakt machte ein Empfang des BDR-Landesverbandes Schleswig-Holstein im Audienzsaal des Rathauses am Abend des 9. November 2017, in dem früher das Obergericht tagte. Vor der historischen Kulisse sprachen die Rednerinnen und Redner aktuelle Herausforderungen im Bereich der Rechtspflege, insbesondere die Nachwuchsgewinnung und die Digitalisierung in der Justiz, an.

Die neue Vorsitzende des schleswig-holsteinischen Landesverbandes Sabine Fohler-John begrüßte zahlreiche Gäste, insbesondere den Lübecker Senator für Wirtschaft und Soziales Sven Schindler, die Vertreterin des Ministeriums für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung Ursel Hoppe, den Vizepräsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts Rainer Hanf, den Präsidenten des Landgerichts Lübeck Dr. Ole Krönert und weitere Vertreter der schleswig-holsteinischen Justiz und anderer Fachverbände sowie die Mitglieder des Präsidiums des Bundes Deutscher Rechtspfleger.

In ihrer Begrüßungsrede wies Fohler-John gleich zu Anfang auf die angespannte Personalsituation im Rechtspflegerbereich in Schleswig-Holstein hin; es fehlten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach aktuellen Personalbedarfsberechnungen 70 Vollzeitstellen. Da zu dieser prekären Situation noch zunehmend Schwierigkeiten bei der Gewinnung qualifizierter Nachwuchskräfte bestünden, forderte sie dazu auf, die Bedeutung der Wahrnehmung von Aufgaben der Rechtsvorsorge und Rechtsfürsorge durch den Rechtspfleger als sachlich unabhängiges Entscheidungsorgan im Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland außerhalb und auch innerhalb des öffentlichen Dienstes herauszustellen. „Um den Beruf des Rechtspflegers von anderen Berufen im öffentlichen Dienst deutlich abzugrenzen, verweise ich auf die Bemühungen des BDR, mit der Reform des Rechtspflegergesetzes ein eigenständiges Rechtspflegeramt zu schaffen. Es ist an der Zeit, die qualifizierte Tätigkeit der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger auch in der deutschen Rechtsordnung zu sichern. Vor allem die Schaffung eines Rechtspflegeramtes würde eine deutliche Abgrenzung zur Ausübung einer ,Funktion’ darstellen. Ein Berufsstand mit qualifizierter Aufgabenwahrnehmung, Studium und Zukunftsperspektiven bedarf eines eigenständigen und gesicherten Status“, so die Landesvorsitzende.

Als Vertreterin der schleswig-holsteinischen Landesjustiz hob Ursel Hoppe die positiven Erfahrungen mit der Einführung der Vertrauensarbeitszeit für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger als wichtigen Schritt hervor, um die Besonderheit des Berufsstandes im öffentlichen Dienst deutlich zu machen. Sie wertete diese zugleich als wichtiges Element zur Steigerung der Attraktivität des Berufes im Rahmen der Nachwuchsgewinnung, die es auch aus ihrer Sicht mehr in den Blick zu nehmen gelte. Als weitere große Herausforderung bezeichnete Hoppe die Digitalisierung in der Justiz. Bis zum Jahr 2018 müsse auch Schleswig-Holstein den elektronischen Zugang zu den Gerichten sicherstellen. In diesem Zusammenhang zeigte sie sich tief beeindruckt von der IT-Kompetenz, die sich einige Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger angeeigneten hätten und mit der sie in den IT-Projekten mitwirkten. Vor diesem Hintergrund sprach sich Hoppe für einen verstärkten Personalaufwuchs ebenso in diesem Bereich aus. Hinsichtlich der Initiative des BDR zur Schaffung eines einheitlichen Rechtspflegeramtes forderte sie zu einem gemeinsamen Weiterdenken in diese Richtung auf.

Der Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts Rainer Hanf bezeichnete die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger als „Rückgrat der Justiz“ im Rechts- und Verwaltungsbereich. Zudem erkannte er ausdrücklich ihre zusätzlich erworbenen IT-Kompetenzen an, zeigte sich jedoch skeptisch im Hinblick auf den sich ausweitenden Personaleinsatz in IT-Projektarbeiten, da Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger so für einen zu langen Zeitraum in ihren originären Aufgabenbereichen nicht zur Verfügung stünden. Die Digitalisierung in der Justiz bedürfe daneben auch der Begleitung von Fachinformatikern, da die zu füllenden Lücken im Rechtspflegerbereich andernfalls immer schwerer zu schließen seien. Mit Blick auf die vielfach thematisierte Nachwuchsgewinnung hob er die Formierung eines Teams durch das OLG hervor, das insbesondere auf Berufsmessen aktiv auf Berufsanfänger zugehe.

„Die Arbeit, die Sie leisten müssen, ist für das Funktionieren unseres Rechtsstaates unglaublich wichtig." Mit diesen Worten machte der Präsident des Landgerichts Lübeck Dr. Ole Krönert deutlich, welchen Stellenwert Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger aus seiner Sicht in der Justiz haben. Ihr Sachverstand sei nunmehr auch im Zusammenhang mit neu hinzugekommenen Aufgaben im Rahmen der Digitalisierung in der Justiz sehr gefragt. Dies solle mit Blick auf die Umsetzbarkeit in der Praxis so beibehalten werden. „Unsere Aufgabe ist es, den Änderungsprozess in der Justiz vernünftig und mit Engagement zu unterstützen und zu begleiten, denn es geht am Ende immer darum, den Anforderungen des Grundgesetzes zu genügen und den Justizgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger möglichst gut zu erfüllen“, so Krönert. Er lobte in diesem Zusammenhang die offene Herangehensweise und das Engagement der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger in der Projektarbeit sowie bei der Einführung der elektronischen Akte in den Gerichten, erinnerte zugleich aber auch daran, dass die so anderweitig gebundene Arbeitskraft von anderen Kolleginnen und Kollegen aufzufangen sei. Es müsse daher versucht werden, den bereits bestehenden Nachwuchsmangel offensiv anzugehen, um die Attraktivität des Berufsbildes nicht zu gefährden.

Der Bundesvorsitzende des BDR Mario Blödtner appellierte mit seinem Vortrag zum Thema „Das Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit“ an die Politik und alle weiteren Justizangehörigen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die deutsche Justiz gemeinsam weiter stärken zu müssen. „Das Vertrauen, das die Öffentlichkeit der Justiz entgegenbringt, ist Voraussetzung für die Akzeptanz ihrer Entscheidungen und für die Herstellung und Wahrung des Rechtsfriedens. Rechtsprechung und Rechtspflege funktionieren nur, wenn sie das Vertrauen der Öffentlichkeit genießen“, so Blödtner. Bei Zweifeln an der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Integrität der gerichtlichen Tätigkeit, drohe der Rechtsstaat Schaden zu nehmen. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz zu sichern, genüge nicht die institutionelle Unabhängigkeit der Justiz. Das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere aber der gerichtlichen Entscheider als Ganzes, im Amt wie privat, in der Realität und im erweckten Anschein werde in der Öffentlichkeit als Gradmesser genommen. Vor allem der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern und das Verhalten ihnen gegenüber prägten ganz besonders das Bild der Justiz. „Dabei spielen wir Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger eine sehr große Rolle. Sind wir doch in den meisten Fällen die ersten Ansprechpartner am Gericht und auch die am häufigsten aufgesuchten Entscheidungsträger“, richtete sich der BDR-Bundesvorsitzende an die Kolleginnen und Kollegen. Von der Politik forderte er zudem eine hinreichende Ausstattung der Justiz als dritte Gewalt im Staat, was die Infrastruktur, insbesondere aber das Personal angeht. Vor allem mit Blick auf die Herausforderungen des demografischen Wandels und der Digitalisierung in der Justiz unterstrich er nochmals die besondere Bedeutung der Nachwuchsgewinnung.

Mit den beim Empfang gesetzten Impulsen widmete sich das Präsidium des BDR auf seiner anschließenden Herbstsitzung neben vielen weiteren Themen und der Vorbereitung des in Kürze anstehenden dbb Gewerkschaftstages insbesondere der Thematik „Nachwuchsgewinnung“. Die Erfahrungsberichte, der Ideenaustausch und die somit verstärkte Zusammenarbeit sowie neue Initiativen der Landesverbände und der Bundesleitung werden in den Folgejahren bei der Berufswahl sicher auf mehr Interesse stoßen und den Berufsstand des Rechtspflegers stärken.

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